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«Ein Glücksfall für eine Künstlerin»

Sonam Dolma Brauen ist eine zeitgenössische tibetisch-schweizerischer Malerin und Bildhauerin. Vier ihrer Werke sind in der Ausstellung «Erleuchtet» zu sehen.

Auf einer niedrigen Plattform sind Patronenhülsen in Form eines riesigen Boomerangs aufgestellt

Boomerang: Die Gewalt, die wir ausüben, kehrt zu uns zurück

Museum der Kulturen Basel: Frau Brauen, was bedeutet es Ihnen, im Museum der Kulturen Basel auszustellen?
Sonam Dolma Brauen: Ich fühle mich geehrt, dass ich meine Kunst in einem Haus mit so geschichtsträchtigen Meisterwerken zeigen kann, die von hochbegabten Künstlern hergestellt wurden. Das zeugt auch von einer Anerkennung meiner Kunst, was mich sehr freut. Und das wiederum regt mich dazu an, weiterzuarbeiten.

Es freut mich auch, dass meine Kunst in einer Ausstellung über Buddhismus gezeigt wird, denn ich selbst bin ja Buddhistin. Es ist nicht selbstverständlich, dass Gegenwartskunst zusammen mit traditioneller Kunst gezeigt wird. Dazu kommt, dass ich eine abstrakte Künstlerin bin und nicht Buddha- oder Bodhisattva-Bilder verändere und in einem neuen Kontext zeige. Dieses Experiment –das Zeigen von traditioneller buddhistischer Kunst und abstrakter Gegenwartskunst – ist spannend und anregend.

Bisher habe ich vor allem in Galerien ausgestellt, doch jede Möglichkeit, in einem Museum auszustellen, ist ein Glücksfall für eine Künstlerin, weil es hier nicht um Kommerz geht, und weil hier im Museum der Kulturen Basel ein viel breiteres Publikum meine Kunst wahrnimmt.

In der Ausstellung «Erleuchtet» sind vier Werke von Ihnen zu sehen. Wieso gerade diese vier?
Stephanie Lovász und Ursula Regehr kamen mich in Bern besuchen, wo ich ihnen meine Werke zeigte. Daraufhin haben sie als Kuratorinnen jene Werke ausgelesen, die ihrer Meinung nach gut in das Ausstellungskonzept passen.

Ich selbst denke, dass die Werke vom Material und der Farbe her gut zu den alten Werken passen. Zum Beispiel das Metall der Munitionshülsen zu den Bronzefiguren oder die tibetischen Mönchsroben von «My Father’s Death» zu den Stoffrahmen der tibetischen Bilder. «Tower of Babel» andererseits hat eine ähnliche Form wie ein Stupa.

Aber natürlich gibt es auch inhaltliche Bezugspunkte wie die Thematik von Religion und politischer Macht, die Vormachtstellung des «Männlichen» oder, wie im «Tower of Babel», das gierige unablässige Streben nach noch mehr, was schliesslich ins Unglück führt.

Weisse Penisse sind wie ein Tempel aufgeschichtet

«Tower of Babel»

Warum thematisieren Sie in Ihrer Kunst die Verflechtung von Religion und Politik?
Politik hat viel mit Macht, Gier und Hass zu tun. Wir führen Kriege, verschmutzen die Umwelt, sind gierig nach Profit. Der Buddhismus zeigt auf, wie man diese negativen Gefühle und Handlungen besiegen kann.

Aber andererseits muss man auch bedenken, dass sich Buddhisten in die Politik eingemischt haben und noch immer einmischen. Auch Buddhisten hatten und haben bewaffnete Konflikte, so in Tibet zum Beispiel in der Zeit des 5. Dalai Lama, oder heutzutage in Myanmar oder Sri Lanka.

Meine Bilder der Serie «Yishen», von der eines in der Ausstellung zu sehen ist, nimmt den Widerstand der Tibeter gegen die chinesischen Besetzer auf: Über 150 Tibeterinnen und Tibeter – viele Nonnen und Mönche – haben sich aus Protest selbst angezündet, wovon über 130 gestorben sind. Dieser verzweifelte Versuch, sich gegen die chinesische Übermacht zu wehren, ist ein Beispiel für den Widerstand von Religion gegen eine zutiefst unmenschliche Politik, die mich beschäftigt und schmerzt.

Mit «Yishen» möchte ich die Besucherinnen und Besucher des Museums auf die Situation in meinem Heimatland Tibet aufmerksam machen, die leider wegen der unzähligen anderen Konfliktherde auf unserem Globus weitgehend unbeachtet bleibt.

Die Künstlerin, ihr Mann sowie zwei Kuratorinnen legen letzte Hand an ein Kunstwerk, das aus roten Mönchsgewändern besteht, die zusammengefalltet aufeinander geschichtet werden

Die Künstlerin legt letzte Hand an ihr Werk «My father's death»