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Kulturerbe wird geteilt

Eine Sammlung aus den 1930er-Jahren soll an ihrem Ursprungsort ausgestellt werden.

Als die beiden Basler Lucas Staehelin und Theo Meier vor beinahe hundert Jahren nach Französisch-Polynesien aufbrachen, war ihnen Tahiti zu «zivilisiert», weshalb sie nach Hiva Oa, eine Insel der Marquesas-Gruppe, weiterreisten. Dort sollten sie zwei Monate bleiben, Lucas Staehelin sammelte Objekte und machte Fotos, Theo Meier malte.

Ihr Aufenthalt fiel in eine schwierige Zeit: Die Bevölkerung Hiva Oas war durch eingeschleppte Krankheiten dezimiert, litt an Hunger. In dieser Situation zog Lucas Staehelin mit der Hilfe einheimischer Helfer über Land und stellte für das Museum der Kulturen Basel eine Sammlung zusammen. Mit seiner Fotokamera hielt er Landschaften, Menschen und Objekte fest.

Problematische Vorgehensweise
Das Tagebuch von Lucas Staehelin gibt Einblick in die Art und Weise, wie die Basler ihre Sammlung zusammengestellt haben: Von Kauf über Tausch gegen Alkohol bis hin zu illegalen Ausgrabungen ist alles dabei. Dabei wurden sie bis zu einem gewissen Mass auch immer von ihren einheimischen Helfern unterstützt.

Die französische Kolonialregierung bekam Wind von den Aktivitäten und nahm eine Untersuchung gegen die beiden Basler und ihre lokalen Helfer mit dem Vorwurf der Grabschändung und des Raubs auf. Im Eifer des Sammelns konnten Lucas Staehelin und Theo Meier die Vorwürfe nicht nachvollziehen, sahen sie sich selber doch als Retter einer zum Untergang bestimmten Kultur.
 

Auf einem viereckigen Schwarz-Weiss-Foto sitzt ein weissgekleideter Mann mit dunklem Haar auf einer Kiste, umgeben von vielen weiteren Holzkisten. Über ihm ist ein Holzdach zu sehen und im Hintergrund weitere Menschen.

Lucas Staehelin fotografierte Theo Meier vor der «grossen Sendung ans Museum» auf Tahiti Nui, den Windward Islands ; Feldfotografie ; 1933

Tatsächlich kümmerte sich die französische Kolonialregierung kaum um die bedeutsamen Kultstätten in Hiva Oa. Durch die Anschuldigungen kippte die Stimmung und die beiden Männer entschlossen sich, nach Tahiti zurückzukehren. Dort blieben sie noch einige Monate, bevor sie nach Vanuatu weiterreisten.

Die Kisten mit den Objekten aus Hiva Oa, die nach Basel geschickt werden sollten, wurden in Papeete, der Hauptstadt Tahitis, von der Kolonialadministration einbehalten. Erst nach Interventionen des MKB bei entsprechenden Stellen in Paris kamen sie zwei Jahre später in Basel an.

Intensive Provenienzforschung
Bereits im Bericht «Das Basler Museum für Völkerkunde. Grundzüge einer Sammlungsgeschichte zwischen 1914 und 1945» fand die Sammlung Staehelin/Meier Erwähnung. Wieder aufgenommen wurde die Problematik der Sammlung in der Ausstellung «Wissensdrang trifft Sammelwut» (22.03.2019 – 22.11.2020).

Und seit mittlerweile drei Jahren wird an der Sammlung Staehelin/Meier intensiv geforscht: Die Sammlung von Objekten und Fotografien wurde genauso ausgewertet wie das Tagebuch von Lucas Staehelin. Im März 2022 wurden die Ergebnisse vor Ort in Hiva Oa an die Bürgermeisterin übergeben.

Hellbrauner, länglicher Haken, an dessen einen Ende eine Schnur befestigt ist und am anderen Ende Schweineborsten.

Angelhaken aus Perlmutt, Schweineborsten und Fasern von Hiva Oa, Französisch-Polynesien; Kauf 1933

Ein Museum, das der Kultur der Marquesas gewidmet ist
Dass es in der Schweiz eine Sammlung aus Hiva Oa gibt, war unbekannt. Die Bürgermeisterin erkannte jedoch sofort das Potenzial für Hiva Oa, zumal das MKB bereit ist, die Sammlung als Dauerleihgabe nach Atuona, dem Hauptort der Insel, zu geben.

Das Vorhaben findet grosses Echo, auch das Museum of Archaeology and Anthropology in Cambridge ist bereit, seine Objekte aus Hiva Oa in Atuona auszustellen. In Hiva Oa wurden bereits Machbarkeitsstudien angestellt, um ein bestehendes Museumgebäude umzunutzen, das Paul Gauguin gewidmet ist.

Durch die Mitfinanzierung des Bundesamts für Kultur kann nun einerseits die Provenienzforschung zur Sammlung fortgesetzt und andererseits die Arbeit an einem Konzept für dieses neue Museum unterstützt werden. Ziel ist, ein Museum zu den Marquesas für Marquesaner*innen zu realisieren.